Botulinumtoxin
Botulinumtoxin ist ein kompliziert aufgebautes und empfindliches Eiweißmolekül. Botulinumtoxin besitzt die höchste Giftigkeit aller natürlichen oder künstlich hergestellten Substanzen.
Botulinumtoxin hat im Körper des Menschen eine spezielle Angriffsstelle. Sie liegt im motorischen Nervensystem. Dort unterbricht Botulinumtoxin die Signalwirkung vom Nerven auf den Muskel. Der mit diesem Gift injizierte Muskel wird gezielt entspannt und ruhiggestellt. Dabei wird die Überleitung der Nervenimpulse auf die Muskulatur gehemmt. Das Ausmaß der Ruhigstellung muss durch die richtige Dosierung dem Krankheitsprozess angepasst werden. Die ärztliche Kunst besteht darin, die Muskeln, die die Beschwerden auslösen, zu identifizieren und die geeignete Botulinumtoxin Dosis für diese Muskeln auszuwählen.
Der Patient verspürt das Einsetzen der Wirkung nach einigen Tagen. Die volle Wirkung stellt sich je nach dem behandelten Krankheitsbild nach ein bis zwei Wochen ein. In der Regel hält die Wirkung ca. zwei bis vier Monate an.
Je nach Medikament ist die Botulinumtoxin-Therapie zurzeit in Deutschland von den Zulassungsbehörden für die Behandlung von Blepharospasmus, Spasmus hemifaciales, zervikaler Dystonie, Spastischen Zuständen in Arm und im Bein nach Schlaganfall, infantiler Zerebralparese, axillarer Hyperhidrose, neurogenen Blasenstörungen und chronischer Migräne zugelassen.
Die Botulinumtoxin-Therapie kann auch versagen. Bei dem primären Therapieversagen bleibt die Botolinumtherapie von Anfang an unwirksam, beim sekundären Therapieversagen kommt es im Laufe einer zunächst erfolgreichen Therapie zu einem Wirkungsverlust. Ein Versagen ist allerdings selten.
Die Botulinumtherapie ist eine lokale Therapie und kann sehr gut mit anderen Behandlungsverfahren kombiniert werden. Es kann z.B. nach der Tiefe Hirnstimulation und intrathekalen Baclofengaben eingesetzt werden. Außerdem ist es auch sehr gut mit Medikamenten kombinierbar.
Evelyn Kreiss
(Quelle: Botulinumtoxin-Therapie „Ein Ratgeber für Patienten“ von Prof. Dr. Dirk Dressler)
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Seit den 1990er Jahren führt man die Tiefe Hirnstimulation bei medikamentös nicht ausreichend behandelbarer Dystonie durch.
THS
Die Behandlung mit der THS ist ausnahmslos symptomatisch und findet kontinuierlich statt. In Entwicklung sind intelligente Systeme (sog. „closed loop Systeme“) geben, die – angepasst an den Funktionszustand des Gehirns sowie der Tätigkeit des Patienten – bei Bedarf stimulieren. Die Elektroden werden bei der THS in einem stereotaktisch geführten Eingriff beim (meist) analgo-sedierten Patienten im Gehirn platziert. Sie werden durch den eigentlichen Schrittmacher, der aufladbar sein kann, mit Strom versorgt. Dieser Schrittmacher wird in Vollnarkose, unter die Haut implantiert (unter der Haut im Bereich des Schlüsselbeins oder unter der Bauchhaut). Der Schrittmacher ist über Kabel, die ebenfalls unter der Haut verlaufen, mit den Elektroden verbunden. Die Therapie wird im Verlauf der Behandlung (schmerzlos) durch die Haut angepasst. Moderne Systeme besitzen hierzu eine Funkverbindung, die über sehr kurze Distanzen die Programmierung der Therapie durch den Arzt erlaubt.
Primäre Dystonie
Der typische meist beidseits angezielte Stimulationsort ist das sogenannte interne Pallidum-Segment oder der Globus pallidus internus (GPi). Der GPi ist ein Teil der Basalganglien und uns aus der Therapie des Morbus Parkinson bekannt. Hier nutzt man die Region um Überbeweglichkeiten zu reduzieren. Diese Überbeweglichkeiten (Dyskinesien) sind eine Nebenwirkung der Medikamente und von der Gestalt den mobilen Dystonien nicht unähnlich. Erste Studien wurden an einzelnen Patienten mit primärer und generalisierter Dystonie vorgenommen und zeigten überzeugende Ergebnisse. Diese Resultate wurden durch eine randomisierte kontrollierte bestätigt (Verbesserung um durchschnittlich 39.3 % auf der Burke- Fahn-Marsden Dystonia Rating Scale). In der Nachbeobachtung der letztgenannten Studie über fünf Jahre konnte dann sogar eine weitere Verbesserung der Symptome (durchschnittliche Verbesserung von 57.8 % gegenüber präoperativ) beobachtet werden. Besonders gut sprechen tatsächlich junge Patienten mit einer DYT1-Mutation auf die THS an. Bei der primären und zervikalen Dystonie (Torticollis) zeigten mehrere Studien einen guten Effekt auf die dystonen Symptome. Inzwischen wurden diese Studien durch kontrollierte Studien bestätigt (Verbesserung von 39.4% Toronto Western Spasmodic Torticollis Rating Scale [TWSTRS]).
Sekundäre Dystonie
Der Therapieeffekt THS auf sekundäre Dystonien (nach Schlaganfall, Mangelversorgung im Rahmen von Geburtstrauma) ist bis auf die Ausnahme der tardiven Dyskinesien (die beste Indikation unter den sekundären Dystonien für die THS) geringer ausgeprägt als bei den primären Dystonien.
Literatur:
Coenen VA, Amtage F, Volkmann J, Schläpfer TE. Deep Brain Stimulation in Neurological and Psychiatric Disorders. Dtsch Arztebl Int. 2015 Aug 3;112(31-32):519–26.
Autor:
Prof. Dr. med. Volker A. Coenen